Industrie 4.0 zeigt ihre Stärken

Je digitaler Unternehmen aufgestellt sind, desto schneller erholen sie sich vom Corona-Lockdown.
Illustration: Tolga Akdogan
Mirko Heinemann Redaktion

Die Corona-Krise hat bei den Unternehmen heftige Umsatzeinbrüche zur Folge. So hart der Lockdown vor allem die Mittelständler getroffen hat – er hatte offenbar auch eine positive Auswirkung. Er beschleunigt die digitale Transformation der Wirtschaft. „Viele Unternehmen sind plötzlich zur Digitalisierung gezwungen”, erklärt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatlichen KfW-Bank. „Sie probieren Homeoffice und virtuelle Zusammenarbeit aus, etablieren in Zeiten geschlossener Läden und Gaststätten einen digitalen Vertrieb oder ersetzen papierbehaftete Arbeitsprozesse durch digitale.”


Ihre Forschungsabteilung hatte im Mai dieses Jahres eine Studie vorgestellt, wonach der Anteil der mittelständischen Unternehmen, die ihre Geschäftsprozesse digitaliseren, zwischen 2016 und 2018 stark angestiegen ist. 1,5 Millionen von insgesamt 3,8 Unternehmen hätten inzwischen abgeschlossene Digitalisierungsvorhaben aufzuweisen, also etwa 40 Prozent, so die auf Basis des KfW-Mittelstandspanels erstellte Studie. Der Trend zur verstärkten Digitalisierung zeige sich demnach im gesamten Mittelstand. „Unternehmen aller Größenklassen und Wirtschaftszweige investieren häufiger in den Einsatz neuer oder verbesserter digitaler Technologien für Prozesse, Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsabläufe.”


Allerdings sind die Digitalisierungsausgaben immer noch verhältnismäßig gering. Während der Mittelstand im Jahr 2018 in Gebäude, Maschinen und Einrichtungen 220 Milliarden Euro investierte, gab er nur gut 19 Milliarden Euro für die Digitalisierung aus. Umgerechnet waren das pro Unternehmen nur 17.000 Euro. Und: Vor allem sind es die Großen, die in Sachen Digitalisierung vorangehen. Spitzenreiter sind dabei Mittelständler mit mehr als 50 Mitarbeitern, die ganz kleinen Betriebe mit maximal fünf Beschäftigten kommen nur auf einen Anteil von 45 Prozent. Und natürlich sind so genannte wissensbasierte Dienstleister die Speerspitze, also Medien, bei IT, Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatungen und forschungsintensiven Gewerben.


Doch was bedeutet dies in Hinsicht auf die Digitalisierung von industriellen Produktionsprozessen, gemeinhin als Industrie 4.0 bezeichnet? Hier haben deutsche Unternehmen offenbar schon vor dem Ausbruch der Pandemie entscheidende Weichenstellungen vorgenommen. Das jedenfalls zeigt eine Erhebung des Digitalverbands Bitkom, ebenfalls vom Mai dieses Jahres. Danach nutzen bereits 59 Prozent der Industrieunternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern in Deutschland spezielle Anwendungen aus dem Bereich Industrie 4.0. Vor zwei Jahren hatte der Wert bei nur 49 Prozent gelegen. Weitere 22 Prozent planen den Einsatz entsprechender Anwendungen, 17 Prozent können sich dies in Zukunft vorstellen.


„Fast alle Unternehmen haben sich auf den Weg in Richtung Industrie 4.0 gemacht“, kommentierte Bitkom-Präsident Achim Berg die Studie. Dabei dürfe die positive Entwicklung durch Corona nicht gedämpft werden. „Je digitaler die Industrieunternehmen aufgestellt sind, desto schneller werden sie sich von den Folgen des Shutdowns erholen“, erklärt Berg. Fast alle befragten Unternehmen sehen in der Industrie 4.0 die Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Fast drei Viertel der deutschen Industrieunternehmen planen im Zuge von Industrie 4.0 nicht nur, Prozesse zu verändern, sondern auch eine Modernisierung der eigenen Geschäftsmodelle. „Automobilproduzenten entwickeln sich zu Anbietern von Mobilitätslösungen und Hersteller von Medizintechnik zu smarten Gesundheitsdienstleistern. Dieser Weg muss nun branchenübergreifend in der gesamten Industrie fortgeführt werden“, so Bitkom-Präsident Berg.


Die deutsche Industrie stellt sich in Sachen Industrie 4.0 sehr selbstbewusst auf: Mehr als jedes fünfte Unternehmen sieht Deutschland derzeit weltweit auf einer Spitzenposition, knapp hinter den USA. „Digitalisierung erzeugt mehr Wettbewerb, und dieser Wettbewerb führt zu mehr Innovationen – ein Glücksfall für Deutschland. Die hiesige Industrie mit ihren Global Playern und Hidden Champions spielt dabei auf den vorderen Plätzen mit und hat das Zeug, auch künftig weltweit Spitzenpositionen einzunehmen“, so Achim Berg. Der Umbau zur Industrie 4.0 brauche jedoch auch eine ambitionierte Flankierung durch die Politik. „Wir müssen jetzt mutig sein, unsere Datenschätze verantwortungsvoll nutzen und Künstliche Intelligenz zu einer europäischen Schlüsseltechnologie machen.“

 

 

Industrial IT-Security
In der digitalen Fabrik sind Produktions- und Industrieanlagen eng mit der Informationstechnologie und in der Regel mit dem Internet vernetzt. Das birgt auch Nachteile: So können Angreifer leichter in Steuerungssysteme vordringen, sie manipulieren und dadurch im Extremfall Roboter und andere Maschinen manipulieren. Um die digitale Fertigung zu schützen, wurde eigens der Begriff „Industrial Security” geprägt, der sich mit der IT-Sicherheit von Industriebetrieben befasst. Damit die Maschinen, Anlagen und Mitarbeiter optimal vor Angriffen geschützt sind, müssen mögliche Schwachstellen bereits im Vorfeld erkannt und behoben werden. Externe Dienstleister haben sich auf dieses Feld spezialisiert. Sie errichten Security Firewalls und schulen Mitarbeiter, sodass auch Personal ohne IT-Erfahrung die entscheidenden Verhaltensregeln einhalten kann.

 

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