Der Rubel rollt

Die Kapitalbeschaffung ist für den Mittelstand derzeit selten ein Problem: Die Gründe liegen in der guten Marktlage und der Diversifizierung des Angebots.
Illustration: Jan Klöthe
Mirko Heinemann Redaktion

Die Treue zur Hausbank, sie ist ungebrochen. Insgesamt finanzierte der Mittelstand im Jahr 2017 seine Investitionen zu 31 Prozent über Bankkredite, so eine Erhebung der staatlichen kfw-Bank. Dabei haben in etwa 480.000 Mittelständler den Weg zu Banken oder Sparkassen für Kreditverhandlungen über Investitionskredite gesucht. Rund die Hälfte aller KMU habe dabei eine geringe Kreditnachfrage, weniger als 60.000 Euro.


Laut kfw wird die Hälfte der Mittelstandsfinanzierung über Eigenmittel erbracht. Dazu zählen Rücklagen, Gewinne oder Cash Flow. Im Jahr 2017 entsprach dies einer Finanzierungshöhe von 108 Milliarden Euro. Niemals zuvor setzten Mittelständler so viele Eigenmittel zur Investitionsfinanzierung ein. Dabei hat der Mittelstand seine Eigenkapitalausstattung kontinuierlich verbessert. Im Jahr 2017 betrug die durchschnittliche Eigenkapitalquote im Mittelstand 31 Prozent.


Seit 2002 ist die durchschnittliche Eigenkapitalquote im Mittelstand um fast 13 Prozentpunkte gestiegen. Das sorgt für eine anhaltend hohe Eigenfinanzierungskraft und Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten. Größere Mittelständler weisen eine im Vergleich zu kleineren Unternehmen höhere Eigenkapitalausstattung auf. Dennoch haben auch Kleinstunternehmen ihre Eigenkapitalquote stetig gesteigert. Eine negative Eigenkapitalquote weisen nur acht Prozent der Unternehmen auf.


Laut Finanzierungsstudie 2018 der Unternehmensberatung Ebner Stolz finanzierten sich 80 Prozent der befragten 5000 Mittelständler per Bankkredit. „Die Kreditinstitute kämpfen immer noch mit hohen Regulierungsanforderungen, die sich in steigendem Aufwand für das Reporting für mittelständische Unternehmen widerspiegeln“, so Michael Euchner von Ebner Stolz. Dass diese dennoch auf die Hausbank als zuverlässigen Finanzierungspartner setzen, unterstreiche das enge Vertrauensverhältnis. So geben zwei Drittel der Unternehmen an, den Kreis ihrer Finanzpartner in den letzten beiden Jahren nicht erweitert zu haben. Nur ein Drittel der Befragten hat neue Finanzierungspartner in Anspruch genommen. Hier kamen insbesondere überregionale Banken als zusätzliche Finanzierungspartner mit ins Boot.


Leasing und Factoring nutzten immerhin 60 Prozent. Etwas weniger, nämlich 58 Prozent, besorgen sich liquide Mittel über Gesellschafterdarlehen. Dass Factoring und Leasing bereits nach den Bankkrediten als beliebteste Finanzierungsinstrumente rangieren, zeigt, dass der Mittelstand sich immer selbstverständlicher mit alternativen Finanzierungsinstrumenten auseinandersetzt. Beispiel Leasing: „Ein klassisches Darlehen für Firmenfahrzeuge ist heutzutage nicht die erste Wahl“, so Carlos Brüsch, Firmenkundenspezialist im KompetenzCenter Leasing und Factoring der Berliner Sparkasse. „Viele Kunden, die über eine mittlere oder große Flotte verfügen, bevorzugen ganz klar das Leasing.“ Leasing sei für Unternehmen eine bilanzneutrale Investition. Sie schone das Eigenkapital und eröffne mehr finanziellen Spielraum für andere Investitionen. Die monatlichen Raten ließen sich von der Steuer absetzen, die Kosten seien besser kalkulierbar, da die konstanten Leasingraten in der Regel auch Pauschalen für Wartung und Reparatur der Fahrzeuge umfassen.


Ein anderes Beispiel ist die Supply Chain-Finanzierung: Für einen reibungslosen Ablauf in der Lieferkette nehmen viele Unternehmen große Summen in die Hand. Dabei müssen Unternehmen oft mehrere Wochen warten, bis ihre Rechnungen bezahlt werden. In vielen Fällen kommt es gar zum Zahlungsverzug. Für kleine und mittelständische Betriebe kann das zu Problemen führen. Während sie auf die Begleichung ihrer Rechnung warten, haben sie weiterhin laufende Kosten. Sie müssen Mitarbeiter, Miete und Strom bezahlen. Sie benötigen Rohstoffe für neue Aufträge und unter Umständen müssen sie sogar Maschinen oder andere teure Güter anschaffen. Bei der Supply Chain-Finanzierung übernimmt die Bank die Zahlung. Sie kauft die Forderungen des Lieferanten an und zahlt damit den Rechnungsbetrag sofort nach der Lieferung. Der Vorteil für den Käufer: Er kann mit der Bank ein individuelles Zahlungsziel vereinbaren. So gewinnt er Zeit bei der Finanzierung der Waren oder kann auf Raten zahlen.


Auch, wenn es um die Finanzierung von Auslandsgeschäften geht, verlässt sich der deutsche Mittelstand immer noch gern auf seine Banken. Allein die Commerzbank finanziere rund 30 Prozent des deutschen Außenhandels, erklärte Michael Reuther, Vorstand für Firmenkunden bei der Commerzbank, dem Tagesspiegel. Sie sei Partner des Mittelstands mit einem Umsatz zwischen fünf und 250 Millionen Euro bei Geschäften und Investitionen auch im Ausland. Sparkassen und Volksbanken kümmerten sich dabei um den kleineren Mittelstand, bei Großunternehmen spielt die Deutsche Bank eine wichtige Rolle. „Deutsche Unternehmen haben weiter sehr leistungsfähige inländische Banken im Auslandsgeschäft an ihrer Seite“, so Reuther.


Neben den Bankkrediten, Leasing/Factoring und dem Gesellschafterdarlehen rücken langsam aber sicher auch andere alternative Finanzierungspartner in den Fokus. In den letzten Jahren hat sich die Finanzdienstleistungsbranche rapide verändert. Dieser Wandel ist vor allem im Privatkundengeschäft deutlich sichtbar. FinTech-Unternehmen sehen deutliche Marktpotenziale im deutschen Mittelstand. Allerdings ist der Mittelstand laut Ebner Stolz zurückhaltend bei der Nutzung von internetbasierten Finanzierungsmöglichkeiten. Die Unkenntnis über das Angebotsspektrum der FinTechs stelle neben dem fehlenden Finanzierungsbedarf den Hauptgrund für die auffallend geringe Nutzungsquote der von ihnen angebotenen Finanzdienstleistungen dar. Aber auch Seriositätsprobleme und Rechts- sowie Sicherheitsrisiken werden kritisch hinterfragt. Allerdings rechnet in der Zukunft jeder zweite Geschäftsführer mit einer bedeutenden Rolle von FinTechs bei der Mittelstandsfinanzierung.


Die Unternehmensberater von Deloitte kritisieren den konservativen Finanzierungsansatz der KMU. Häufig zeige sich, dass die Wahl des Finanzierungsmix nicht immer konsistent mit den genannten Zielen sei, so die Experten in ihrer aktuellen Finanzierungsstudie – „auch deshalb, weil die Prüfung der Passgenauigkeit nicht oder nicht kontinuierlich durchgeführt wird.“ Aber nicht nur im Finanzierungsportfolio an sich, sondern auch in konkreten Instrumenten ergeben sich Änderungsmöglichkeiten. Eine Diversifizierung schaffe geringere Abhängigkeit von der Hausbank, mehr Transparenz und niedrigere Finanzierungskosten. Aber: Die emotionale Bindung dürfe nicht vernachlässigt werden: Langjährig gewachsene Bankbeziehungen sollten nicht aufgrund von scheinbar kostengünstigeren Konditionen fremder Finanzierungsgeber geopfert werden.

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