Mittelstand von morgen

Die Innovationskraft der Deutschen stimmt, nur eine solide Gründungskultur ist leider noch immer nicht etabliert.
Illustration: Heike Steenwarder
Illustration: Heike Steenwarder
Julia Thiem Redaktion

In der Formel 1 ist es der Super-GAU: Ein Fahrer holt mit seinem Boliden im Training die begehrte Pole Position und fällt dann aufgrund eines technischen Defekts oder Fahrfehlers im eigentlichen Rennen aus. So ähnlich ergeht es auch der deutschen Wirtschaft, die ihre „PS“ sprichwörtlich nicht auf die Straße kriegt. Denn während wir bei der Innovationskraft weltweit nicht zu toppen sind, fehlt es uns an risikobereiten Unternehmern, die aus Innovationen langfristige Geschäftsmodelle entwickeln.

Nach einer neuen Analyse des Weltwirtschaftsforums liegt die Bundesrepublik auf Basis angemeldeter Patente, wissenschaftlicher Veröffentlichungen sowie der Zufriedenheit der Kunden mit deutschen Produkten auf Platz eins bei der Innovationskraft – noch vor den USA. Gleichzeitig ist die Gründungsquote hierzulande vergleichsweise niedrig. Der jährliche Global Entrepreneurship Monitor (GEM) zeigt auf, dass die „Total early-stage Entrepreneurial Activity“ (TEA) hierzulande mit 5,4 Prozent gerade einmal knapp ein Viertel der Quote von Ländern wie Estland oder Kanada beträgt, die beide über eine innovationsgestützte Wirtschaft verfügen. Verantwortlich für die niedrige Gründungsquote sei vor allem fehlende Bildung. Aber auch die regulatorischen und steuerlichen Rahmenbedingungen machen es vielen potenziellen Unternehmern schwer. Daran habe sich in den vergangenen Jahren nur wenig geändert, heißt es. Auch seien die sozialen Werte und Normen nicht sonderlich förderlich für eine blühende Unternehmerkultur. Darüber hinaus kritisieren die Macher insbesondere mit Blick auf Gründerinnen einen Mangel an Vorbildern.

Für Christian Keuschnigg, Ökonom und Professor an der Universität St. Gallen, spielt zudem der Zugang zu Wagniskapital eine entscheidende Rolle für eine solide Gründungskultur: „Wachstum wird von Innovationen getrieben, die allerdings nur an den Markt kommen, wenn es Zugang zu Wagniskapital gibt.“ Banken übernehmen diese Art von Risiken innerhalb einer Volkswirtschaft nicht. Denn in der Regel setzt ein Bankkredit eine solide Eigenkapitalquote voraus, die sich kleine und junge Unternehmen am Kapitalmarkt besorgen müssen. Allerdings ist der Finanzplatz Deutschland stark von der Bankenfinanzierung abhängig. Gemessen an der Bilanzsumme ist der Bankensektor mit 268 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) relativ groß. Zum Vergleich: In den USA sind es nur 88 Prozent des BIPs. Kein Wunder also, dass gerade dort das Start-up- und Innovationsmekka Silicon Valley wächst und gedeiht.

Es gibt aber auch Positives zu vermelden. Denn laut dem GEM werden Unternehmen siebenmal häufiger aufgrund von Gelegenheiten als aus der Not heraus gegründet. Das sei der höchste bisher gemessene Wert für Deutschland, womit wir auf dem vierten Platz im Ranking landen. Es gibt sie also, die Innovationen und Chancen im Land – und jetzt, wo das Konjunkturbarometer deutlich nach unten zeigt, wird es vielleicht Zeit, diese Chancen auch zu ergreifen. Kooperationen – egal ob mit Forschung und Wissenschaft oder jungen Unternehmern und Start-ups – sind gerade für den Mittelstand dabei immer eine gute Idee.

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